Übersicht: Die Begutachtung
Damit Pflegebedürftige überhaupt Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten können, benötigen sie einen Pflegegrad. Von diesem hängt ab, wie hoch die Leistungen der Pflegekasse ausfallen. Um den Pflegegrad festzulegen, ist eine sogenannte Begutachtung notwendig. Dazu kommt eine speziell geschulte Pflegekraft nach Hause. Angesichts dieses Begutachtungstermins sind viele nervös oder gar verunsichert. Doch Ihr könnt Euch im Vorfeld informieren und darauf vorbereiten.
Hausbesuch
Nachdem Ihr einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt habt, erhaltet Ihr einen Terminvorschlag für die Begutachtung. Bei gesetzlich Versicherten ist der Medizinische Dienst zuständig, bei privat Versicherten die Firma Medicproof. Eine Fachkraft kommt dann nach Hause, um einzuschätzen, wie selbstständig Dein Angehöriger noch ist und in welchen Bereichen er wie viel Hilfe benötigt. Die Begutachtung muss neutral und unabhängig sein und die Art der Überprüfung ist gesetzlich festgelegt. Der Besuch dauert etwa 30 bis 90 Minuten und folgt einem strengen Schema.
Sechs Module
Die begutachtende Fachkraft beurteilt anhand von insgesamt 64 Fragen Fähigkeiten aus sechs unterschiedlichen Lebensbereichen, den sogenannten Modulen. Sie umfassen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Selbstversorgung, Gestaltung von Alltags- und Sozialleben, psychische Verfassung sowie den Umgang mit Krankheit und Therapie.
Gut zu wissen: Ihr könnt sämtliche Fragen und Module online nachschlagen und Euch so vorab ein Bild machen, was beim Begutachtungstermin konkret auf Euch zukommt. Nutzt dafür zum Beispiel den Pflegegrad-Rechner der Johanniter-Unfall-Hilfe. Er ist unter dem Artikel verlinkt.
Punktesystem
Für jede der 64 Fragen vergibt die Pflegekraft Punkte. Je mehr Hilfe jemand in einem Bereich benötigt, desto mehr Punkte gibt es dafür. Antworten aus verschiedenen Bereichen werden allerdings unterschiedlich stark gewichtet, je nachdem, wie gravierend sich der jeweilige Faktor auf den Alltag auswirkt.
Der Pflegegrad schließlich fällt umso höher aus, je höher die Gesamtpunktzahl ist: kein Pflegegrad: unter 12,5 Punkten Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
Vorbereiten
Um Euch auf den Hausbesuch einzustellen und etwas mehr Sicherheit zu gewinnen, ist es sinnvoll, Euch vorzubereiten. Einerseits solltet Ihr, falls vorhanden, Unterlagen wie Arztberichte, Medikamentenplan, Schwerbehindertenausweis, Hilfsmittelliste und Eure Pflegedokumentation griffbereit haben.
Andererseits solltet Ihr Euch darauf einstellen, dass bei der Begutachtung auch Fragen gestellt werden, die viele Menschen als eher unangenehm empfinden. Dazu gehören zum Beispiel Fragen zu Körperpflege, Toilettengang und möglicher Inkontinenz. Alle und insbesondere solche Fragen solltet Ihr schlicht wahrheitsgemäß beantworten.
Unser Tipp: Übertreibt nicht, sondern bleibt, wie Ihr seid. Die medizinische Fachkraft soll einen realistischen Eindruck in Euren Alltag gewinnen, beziehungsweise in den Deines Angehörigen. Mit übertriebenen Anstrengungen oder aus falscher Scham verschwiegenen Schwierigkeiten ist niemandem geholfen.
Einen ausführlicheren Einblick, was bei der Begutachtung auf Euch zukommt, und Tipps dazu, wie Gespräche in der Familie vor der Begutachtung gut gelingen, kannst Du im längeren Themenartikel "Gut vorbereitet in die Begutachtung" lesen, den wir unten verlinkt haben.
Widerspruch möglich
Kommt es nach der Begutachtung zu einem Ergebnis, mit dem Ihr nicht einverstanden seid, könnt Ihr Widerspruch einlegen, wenn Ihr gesetzlich versichert seid. Privat Versicherte können versuchen, mit Ihrer Versicherung zu verhandeln. Bleiben Widerspruch beziehungsweise Verhandlung ohne Erfolg, bleibt Euch noch der Weg vor Gericht.
